Das Leben nennt der Derwisch eine Reise
Bereits zum dritten Mal findet in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat München ein inklusives Projekt an der Otto Falckenberg Schule statt.
2018 war es „Wie hoch ist Augenhöhe?“ mit zwölf Mitwirkenden, sechs Menschen mit Beeinträchtigungen verschiedener Art und sechs Schauspielstudierende. Themen rings um Fragestellungen nach Normalität und Behinderung wurden mit Improvisationen, Choreographien und eigenen Texten zu einem abendfüllenden Projekt im Werkraum erarbeitet.
2019 folgte mit acht Szenenstudien aus Dea Lohers Stücken im inklusiven Zweierkontext ein weiteres Projekt, das sich mit Szenen, Figuren, Sprache und Situationen beschäftigte. Auch zwei Regiestudierende der OFS entwickelten eine inklusive Szene mit dem Mentoring von Eckhard Winkhaus und Crescentia Dünßer. Vier Szenen aus Stücken von Dea Loher wurden in der Regie der beiden Dozierenden erarbeitet.
2020 planen wir nun ein weiteres inklusives künstlerisches Format. Wiederum in bewährten Zweierkonstellationen mit den Studierenden und drei Gästen: Johanna Kappauf, Lucy Wilke (beide bereits im letzten Jahr beteiligt), neu dazu kommt der 18 jährige theaterbegeisterte Raphael Follardt, der bereits Praktikumserfahrungen am Theater gesammelt hat und bei einem zweitägigen Workshop 2019 an der OFS teilgenommen hat.
Dieses Mal möchten wir uns dem „Erzähltheater“ widmen.
Angedacht ist das Thema von Fernreisen. Ob mit einer literarischen Vorlage, durch Improvisation oder von uns selbst verfasst, ist noch nicht festgelegt, vielleicht von allem etwas, je nach Konstellation, Fertigkeiten und den zu erlernenden Techniken.
„Fernreise“ als Momentum von Sehnsucht vielleicht.
Das könnte auch die Erzählung einer Innenreise sein, eine Reise im Kopf oder ein Reisebericht, erfunden, erstunken, erlebt. Eine gemeinsame Reise oder mehrere … das Feld liegt offen für den Geist.
Es geht um Erlebnisse und um das, was wir an Erfahrungen daraus mitnehmen.
Wie auch die inklusive Theaterarbeit neue Erfahrungen für uns bereit hält.
Offenheit und Transparenz sind Voraussetzungen für diese Arbeit und natürlich die Lust auf Unerwartetes. Immer noch ist inklusive Theaterarbeit hierzulande Pionierarbeit, vor allem in der Ausbildung.
Aus den Erfahrungen der letzten Jahre lässt sich sagen, dass die Entdeckung der Lebensbedingungen, Umstände und Andersartigkeit der Gäste die eigenen Fähigkeiten und die Kenntnis von uns selbst fordert und fördert.
Unsere künstlerische Fantasie wird auf mancherlei Weise neu entzündet, in vielen Situationen werden wir bewusster und auf uns selbst zurückgeworfen. Was Selbstverständlichkeit und soziale Umgangsformen betrifft, stellt sich die Frage nach Wahrhaftigkeit neu und aufregend anders. Soziale Kompetenzen und eigene Vorurteile rücken wie selbstverständlich mit ins Zentrum dieser Arbeit.
Die Einschränkungen und Schwierigkeiten können sich letztlich als große Bereicherung herausstellen, mit offenen Fragen nach Kriterien und Fertigkeiten im schauspielerischen Kodex.Es ist und bleibt eine Art Forschungsprojekt, das nicht allein mit genormten Vorstellungen von Berufsausbildung und Kenntnissen auskommt. Es kann auch vorher noch nicht bekannte Wände in und zwischen uns auf- und niederreißen. Die Frage, wer uns da gegenüber steht/sitzt, erhält eine besondere Bedeutung und fließt stark in die Arbeit ein, erdend und fordernd zugleich.
Nicht zuletzt dadurch wird, neben Inhalt und Umsetzung einer szenischen Idee, eine weitere Relevanz zentral und thematisiert, die wir künstlerisch, spielerisch und abenteuerlich fruchtbar machen werden.
Die Frage „wie geht es, miteinander zu arbeiten?“ erlaubt uns, unbekannte Wege zu gehen, intuitive Findungen zu machen und die eigene Haltung immer wieder zu überprüfen; höchst relevante Themen für die berufliche Zukunft von uns allen.
Die inklusiven Begegnungen zu zweit in der Probenarbeit (mit jeweils einer/m Dozierenden) ermöglichen eine intensive Begegnung mit Künstlerinnen und Künstlern, die unter immensen Schwierigkeiten und mit großer Energie ihren Ausdruck in der Gesellschaft und Kunst suchen und endlich finden.
Wir suchen und finden mit, auch für uns.